Gegensätze - Wirtschaftswachstum und die indischen Armen

Indien ist die größte Demokratie der Welt und hinsichtlich der Bevölkerung das zweitgrößte Land der Erde. Es ist ein Land, das mit ausreichenden und natürlichen Ressourcen gesegnet ist. Trotzdem ist Indien eins der ärmsten Länder in der Welt. Der Grund liegt in der Verteilung des Wohlstandes zwischen den "Habenden" und den "Nicht-Habenden". Das Klassen- und Kastensystem verstärkt diese Verteilung und alle Mechanismen bevorzugen die Reichen. Weder der politische Wille noch die Massenbewegung im Land konnten drastische Veränderungen zu Gunsten der Armen bringen.

Jetzt gibt es eine neue Entwicklung, die Indien erreicht hat: die Auswirkungen des globalen Marktes, mit Unterstützung der Weltbank, der multinationalen Firmen, BPO (Business Process Outsourcing: Auslagern von Geschäftsprozessen), dem Freien Markt usw. Das neue Wachstum und die Entwicklung zur Verbesserung des Landes finden wieder auf Kosten der Armen statt.

Zum Beispiel bauen die multinationalen Firmen technische Anlagen in Indien. Sie bekommen preiswerte Arbeit, technische Experten zu günstigeren Bedingungen als in ihrem Heimatland. Aber die Armen in der Nähe werden nie einen Nutzen davon haben außer, dass ihnen ihr Land, Wasser usw. weggenommen werden.

Trotz der neuen hohen Wachstumsrate und vieler Entwicklungen bleibt die Armut unverändert. Warum?

Indien ist ein Land von Gegensätzen. Es ist ein Land von 103 crore (Ein Crore entspricht 10 Millionen Menschen) Menschen, entsprechend amtlicher Statistiken 1.028.610.328 Menschen in 2006). Eine mikroskopische Minorität reicher Menschen und eine Mammut-Majorität armer Menschen koexistieren im Land der Vedas. Acht Prozent Wirtschaftswachstum pro Jahr im Land können im Auge der restlichen Welt viel aussehen. Aber in Wirklichkeit fördert das Acht-Prozent-Wachstum nur einen sehr kleinen Teil der Menschen im Land. Indien ist ein Land mit 600.000 Dörfern, in denen 70 Prozent der Menschen leben und die nicht vom Wirtschaftswachstum profitieren werden. Ein Drittel der städtischen Bevölkerung lebt in den Slums und auf Bürgersteigen. Sie haben auch keinen Nutzen von dieser Wachstumsrate. Es sind die Reichen und die obere Mittelklasse, die die Früchte der ökonomischen Entwicklung genießen.

Es ist zutreffend, dass die Klasse der Reichen und der Superreichen im Land ständig wächst. Sie produzieren, sie bieten IT-fähigen Service an, exportieren usw. Der Gesamt-Nettowert von 311 indischen Milliardären liegt jetzt bei Rs.3.64 Trillionen. Dies sind 71 Prozent mehr als 2004, als es Rs.2.13 Trillionen waren. Diese Zahl schließt 133 neue Zugänge ein, die seit ein paar Monaten Millionäre geworden sind. Der 400 Millionen starken Mittelklasse geht es ökonomisch auch besser.

Dieses ist nur die eine Seite des Wirtschaftswachstums. Die andere Seite ist schockierend - die Unterprivilegierten, die von der Landwirtschaft und den damit verbundenen Tätigkeiten und von Arbeiten in unorganisierten Bereichen leben und sich mühsam durchschlagen.

Die Landwirtschaft und die damit verbundenen Tätigkeiten beschäftigen 65 Prozent der Menschen. Dieser Sektor produziert nur 22 Prozent vom GDP (Gross Domestic product: Bruttosozialprodukt). Die Wachstumsrate dieses Sektors ist nur 1,1 Prozent, während die Wachstumsrate in der Industrie 11 Prozent und im Dienstleistungssektor 12 Prozent beträgt. Die 105 Millionen Landwirtschaftsfamilien haben durchschnittlich Rs. 503 (in 2003). Die durchschnittlichen Tagesausgaben betrugen Rs.16.7.

Wenn dies die Situation eines "arbeitsfähigen" Haushaltes ist, kann sich jeder vorstellen, wie die Situation von Millionen von Arbeitslosen, von Unterbeschäftigten, Heimatlosen in ländlichen Gebieten, bei Dienstleistungseinrichtungen, bei den landwirtschaftlichen Arbeitern und bei den ausgebildeten Arbeitern in den unorganisierten Bereichen ist, welche 73 Prozent der Bevölkerung von Indien darstellen.

Wir dürfen nicht vergessen, dass sogar, entsprechend der statistischen Zahlen der Regierung von Indien, 26 Millionen Menschen noch unterhalb der Armutslinie leben. Entsprechend den Angaben der verschiedenen nichtstaatlichen Organisationen (NGO) gibt es 40 Millionen Menschen, die unterhalb der äußersten Armutslinie leben. Indien hat die größte Zahl unterernährter Kinder in der Welt. Es hat auch die größte Zahl der untergewichtigen neugeborenen Babys. Es hat die größte Zahl ungebildeter Kinder und Frauen. Wegen eines hohen Bevölkerungswachstums bleibt das per capita (per capita: pro Kopf-Einkommen) sehr gering. Es war nur $ 2880 in 2003 (Weltbank-Abbildung). Es ist unterhalb vieler anderer Entwicklungsländer.

Alle oben genannten Tatsachen zeigen, dass das Acht-Prozent-Wirtschaftswachstum überhaupt nicht die Armen fördert, weder die städtischen noch die landwirtschaftlichen, die Kinder, die Frauen und die Dalits.

Wenn man die städtischen Einrichtungen, z.B. von Bangalore nimmt, bedeuten die Überführungen, Parks, Straßen nichts für die armen Menschen, die in den Slums leben. Sie erhalten weiter den gleichen Lohn und werden auf die gleiche Weise ausgenutzt. Ihre Straßen, Häuser, Wasser-Services, ihre Grundrechte existieren nicht.

In diesem Kontext ist es Aufgabe der Bevölkerung und der Multinationalen, dieses in erster Linie sicherzustellen.

Bella Rosario, 22/07/2006